Freitag, 7. Juli 2006

Verehrt und angespien

François Villon
Vor vollen Schüsseln muß ich Hungers sterben,
am heißen Ofen frier ich mich zu Tod,
wohin ich greife, fallen nichts als Scherben,
bis zu den Zähnen reicht mir schon der Kot.
Und wenn ich lache, dann habe ich geweint,
und wenn ich weine, bin ich froh,
daß mir zuweilen auch die Sonne scheint,
als könnte ich im Leben ebenso
zerknirscht wie in der Kirche niederknien...
ich, überall verehrt und angespien.

Nichts scheint mir sichrer als das nie Gewisse,
nichts sonnenklarer als die schwarze Nacht.
Nur das ist mein, was ich betrübt vermisse,
und was ich liebte, das hab ich umgebracht.
Selbst wo ich dachte, daß ich gestern war,
bin ich erst heute abend zugereist.
Da, von meinem Schädel ist das letzte Haar
zu einem blanken Mond vereist.
Ich habe nicht ein Hemd, es anzuziehn...
ich, überall verehrt und angespien.

Ich habe dennoch soviel Mut zu hoffen,
daß mir sehr bald die ganze Welt gehört,
und stehn mir wirklich alle Türen offen,
schlag ich sie wieder zu, weil es mich stört,
daß ich aus goldnen Schüsseln fressen soll...
Die Würmer sind schon toll nach meinem Bauch,
ich bin mit Unglück bis zum Halse voll.
Ich bleibe unter dem Holunderstrauch,
auf den noch nie ein Stern herniederschien,
François Villon, verehrt und angespien.

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Digitale - Juli 7, 10:25

Von den Mädchen die keinen Mann mehr finden

Sie haben alle eine Nacht mal ohne Hemd
so fleischern aufgeschwemmt
im grünen Gras gelegen
und haben da in solcher Nacht
den Mann um seinen Schlaf gebracht,
sie wußten wohl weswegen.
Das war im Sommerjahr ihr schönster Traum,
denn in der Winterzeit da grünt kein Pflaumenbaum.

Im Pflaumenbaum da sang die Nachtigall
noch manches Mal das Lied vom Sündenfall.
Und oben bei den Schafen
da stand ein fetter Mond und ließ
den Knaben, der so schön die Flöte blies,
die ganze Nacht nicht schlafen.
Der Knabe hat wohl an das Kind, das kommt, gedacht
und sich am Morgen aus dem Staub gemacht.

Da banden sich die Mädchen einen Kranz ins Haar
und klopften an bei Jesu Engelschar,
daß er sie von den bösen Schleichen im Männermeer
erlöse für und für.
Doch Petrus stand mit seinem Sarraß vor der Tür
und zeigte auf den See, da schwammen sie, die Leichen,
da schwammen viele Kinder aus der Pflaumenzeit
und taten dem Gewürm so leid.

Sie tragen jetzt ein schwarzes Witwenkleid,
und auf ihr Haar der böse Winter schneit.
Die ganze Nacht brennt in der Kammer Licht
und aus dem Spiegel grinst ein Tiergesicht.
Da möchten sie das Bild zerschmeißen.
Doch Glück und Glas, das reimt sich nie
auf Pflaumenbaum und Zitterknie.

Auch Pflaumenbäume wachsen ihre Zeit
und welken hin und werden abgehaun.
Was in der Früh noch trug ein Purpurkleid
fault abends schon im schwarzen Dreck am Zaun.

Digitale - Juli 7, 10:29

Eine Ballade, mit der ich meine Mitmenschen um Verzeihung bitten möchte

Die dicken Fresser in Kamelhaar-Kutten,
die frommen Nonnen und die Kardinäle
mit ihren parfümierten Luxusnutten,
Minister, Mamelucken und die Generäle
mit Blech verklebt vom Nabel bis zum Ohr,
eventuell auch noch der königliche Mohr,
Rinosdam, das alte Schwein.
Sie mögen mir das Lästermaul verzeihn.

Die Mädchen auch, die ihre weißen Äpfel springen lassen
damit die Männer nach dem Ding noch schärfer werden,
die Gaunerhände, die in fremde Taschen fassen,
Piraten, Feuerfresser und Zigeunerherden,
Proleten die verbraucht am Zaun krepieren,
auch der Kretin, der krumm auf allen vieren
sich vollsäuft mit Champagnerwein.
Sie alle... mögen mir mein elendes Geschick verzeihn.

Nur der verdammte Bürgermeister nicht,
dem spuck ich lieber dreimal ins Gesicht,
der hat mich um den letzten Bissen Brot
betrogen und mir das bißchen Suff genommen,
der soll mir ja nicht in die Quere kommen,
den Lausebengel schlag ich mausetot.
Ha, ach so... ha ach so, ja ja, in diesem Zustand
schaff ich's nicht allein.
Drum wird er mir die Schlappheit auch verzeihn

Nicht riechen kann ich auch die Herren vom Gericht,
da hocken sie mit Fäusten wie ein Schwergewicht
auf ihrem Paragraphenthron
und brennen jedem, der nicht blecht,
ein Schandmal auf die Stirn. Die werden ihren Lohn
bald kriegen für ihr gottverfluchtes Recht.
Daß ich bei dieser Jagd nicht darf der Hauptmann sein,
na ja, das werden sie mir wohl verzeihn.

Man schlag dem ganzen Lumpenpack
das Maul mit einem Hammer kurz und klein.
Ich bin Villon! Das braucht mir keiner hier verzeihn.

Digitale - Juli 7, 10:35

Ich bin nach deinem roten Mund so krank

Am Abend standen alle Bäume grau und krank
im Wald herum, weil in dem Wiesengrund der Tag ertrank.
Du aber warfst die Kleider fort vom Leib
und hast ein weißes Licht
mir angezündet, Abendweib,
mit Wurzelhaar und Tiergesicht.
Und immer werden meine Augen hell und weit,
wenn in dem Wald der weiße Mond erscheint.

Die Bäume wuchsen in den Mai hinein
und wollten nicht mehr grau und einsam sein.
Ich aber weiß nicht, wo du weilen magst,
ich weiß nur, wie du hautnacktheiß
an meinem Munde lagst.
Und über uns der Mond zog seinen Kreis
die lange Nacht
und hat mich krank gemacht.

Ich bin nach deinem roten Mund so krank,
der sich an meinem Blut betrank.
Das werd ich manche Nacht im Wald
noch wissen ... du, warum kommst du nicht mehr
zurück, im weißen Kleid. Bald bin ich alt
und wie die Bäume krank und leer ...
Und könnte sein wie einst im weißen Licht,
dein Nachtgemahl mit Wurzelhaar und Tiergesicht.

Digitale - Juli 7, 10:40

Ich bin Franzos, was mir verdammt nicht paßt

Ich, Villon, ein Dichter und Vagant,
Franzose und verbannt aus meinem Vaterland,
mich kitzelt der Geruch der großen Stadt,
ich brauche Raum, ich brauche Raum und habe nicht einmal
für meinen Kopf ein Futteral.
Ich hab den Hetzhund endlich satt,
der mich durch die verfaulten Wälder treibt.
Ich bin ein ganzes Jahr schon unbeweibt.

Du aber weißt, wie reißend mich das Blut bewegt,
wie mein Gehirn durch alle Himmel fegt,
ich hab dir mehr als einen Reim geschenkt,
da war noch Würze drin und Salz.
Jetzt klebt ein Schandfleck rot an meinem Hals,
und wer mich fängt und henkt,
streicht hundert Golddukaten ein;
soll das mein Leben lang dein Wille sein?

Du, sieh her, ich trage auf der grauen Haut
nur diesen Rock, der ist geklaut
und stinkt nach Muff und Mottenfraß.
Sieh hier, am Knie ein Loch, so groß
wie eine Faust ... Wer bin ich bloß,
daß ich zu Mist und Aas
verdammt bin, ich, Villon aus Groß-Paris,
Professor einst und Herr vom Goldnen Vlies.

... mein Bruder hör: Wozu bist du so stolz
auf einen Thron gesetzt, wenn du wie Holz
dich anfühlst und nicht schreist:
"Schafft den Villon mir her, zieht ihm ein Kleid
von Seide an. 's ist höchste Zeit,
daß die Durchlaucht mit mir zu Abend speist!"
Mein Bruder, hör doch: Ich hab nur Wind im Darm
und bin wie eine Laus, so arm.

Ja, auch so ein König neigt zuweilen sich
zu seinem Untertan herab und denkt wie ich;
daß alle Menschen groß und klein,
am Ende sollen Brüder sein.

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Digitale - Januar 20, 13:06
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Digitale - Januar 15, 18:54
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@walkingman
Digitale - Juli 16, 18:41
Prima
Prima! Echt nette Homepage. Also weiter so und viel...
walkingman - Juli 16, 14:53

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